Hiddigeigeis neue Gedichte
Warum neue Gedichte? Ich bin in Säckingen geboren und mit der Geschichte des Trompeters und des spöttischen Katers Hiddigeigei aufgewachsen. Später spielte ich ihn selbst im Amateurtheater der Festspielgemeinde – seither lässt mich der „Turmdenker“ nicht mehr los. Die neuen Gedichte sind eine Liebeserklärung an den alten Kater: ironisch, kritisch, zeitlos.
Und wer ist das Original? Am Ende bleibt nur eines – der Kater aus Scheffels Feder.
Hiddigeigei – Rhein-Gondelträume
🗓️ Veröffentlicht am 29. September 2025
Ich sitze wieder auf meinem Dach,
seh’ Gondelbilder, bunt und schwach.
Bald schwebt man leicht übern Rhein,
ein Spektakel für ganz Europa fein.
Warum nur Gondeln, frag ich leis,
die U-Bahn ginge auch, zum Preis.
Ein Tunnel unterm Rhein, wie toll,
und unten alle Stationen voll.
Die Brücke aus Holz und Stein,
da passt ne Straßenbahn noch rein.
Einspurig und Idylle pur,
die Glocke bimmelt leis und stur.
Und für die viele Autoschar,
tausend Plätze Jahr für Jahr.
Doch wohin mit all dem Blech?
Ins Münster? Das wäre frech.
Eine Gondel als Attraktion,
für Selfies eine Sensation.
Doch der Stau bleibt wie eh,
da lacht der Kater: A98 o weh!
Man baut Visionen in die Luft,
der Alltag bleibt im selben Duft.
„Wer hoch hinaus will ohne Grund,
der landet tief und wird wund.“
Hiddigeigei – Lage des Gesundheitscampus
🗓️ Veröffentlicht am 23. August 2025
Ich sitz’ erneut auf meinem Dach,
seh unten Fleiß, matt und schwach.
Was nutzt einem ein Vertrag,
wenn Termine platzen Tag für Tag
Oktober kam, Dezember ging,
im Juni man vom Einzug sing.
Nun August und der Kater lacht.
Ein Jahr hat schon mehr gebracht.
Noch klappert lose eine Platte,
Handwerker sucht noch eine Latte.
Die Küchen mangeln, der Notruf fehlt,
und der Bauherr die Mängel zählt.
Die Möbel träumen, fein gestapelt,
vom Heim, wo noch keiner tappelt.
Sie warten stumm im Möbelland,
bis endlich wer den Schlüssel fand.
Die Kassen leer, die Plätze rar,
das Warten zieht sich, bringt Gefahr.
Leerstand frisst sich leis ins Rot,
der Kater schnurrt: Täglich Brot.
Und wenn der Einzug weiter fehlt,
weil, was fertig, noch nicht zählt
so schnurrt der Kater: „Immerhin –
der Imagefilm ist wohl schon drin.“
Hiddigeigei – Aqualon
🗓️ Veröffentlicht am 12. August 2025
Ich sitz auf meinem Dach beim Fluss
und weiss man hat das Bad erworben.
Die Therme dampft im Morgenguss,
wie es weitergeht, ist noch verborgen.
Man sagt: Wer kauft, macht rasch Verlust,
wer nicht, verliert sein gutes Bad.
Drum kauft man aus Angst bewusst,
mit Mut, wer keine Wahl mehr hat.
Die Bürger nicken still und breit,
doch bejahen füllt kein Beckenrand.
Wer nur applaudiert, hat wenig Zeit,
doch echtes Helfen braucht Verstand.
Therme, Fitness, Sauna fein –
viel Platz für Schwung und Körperglück.
Doch Schönheit kann vergänglich sein,
wenn niemand kommt, bleibt nichts zurück.
Ein Handtuch packen, Eintritt zahlen –
hilft mehr als Gutachter empfehlen.
Die besten Pläne, die nur prahlen,
verpuffen, wenn die Gäste fehlen.
Wer sein Bad auch morgen liebt,
der zahlt mit Zeit, nicht nur mit Wort.
Wer mit dem Lob zu Hause klebt,
verliert am Ende doch den Ort.
Hiddigeigei über Küssen
🗓️ Veröffentlicht am 5. Juli 2025
(zum Weltkusstag am 06.07.2025)
Seit Jahren grüble ich vergebens,
ein Rätsel tief im Buch des Lebens:
Warum küssen sich die Menschen?
Nie konnt’ ich’s ganz zum Ziel ergänzen.
Ich sah sie’s tun – ich kann’s nicht fassen,
beim Bahnsteig, Park – in allen Gassen.
Kaum kennt man sich und zack schon nah,
ein Kuss, als wär das immer da.
Vielleicht, so denk ich unverfroren,
wird da ein Partner auserkoren.
Ein Dufttest für den Lebenslauf –
passt’s vorne nicht, hört hinten’s auf.
Die Forschung spricht von Nervenspiel,
mit dem Kusshormon als großes Ziel.
Ein Kuss – so sagt man – hebt uns sacht,
als wär die Schwerkraft abgeschafft.
Ich selbst? Ich hätt’s wohl mal probiert,
doch meine Art hat so nie verführt.
Ein Schnurren statt Berührungswut –
das tut dem Herzen ebenso gut.
Ich bleib dabei: Es ist ein Trick,
der oft verblüfft – doch selten schick.
Ich zieh die Pfote an mein Kinn –
und frag mich: Wo ist da der Sinn?
Hiddigeigei – Vandalismus
🗓️ Veröffentlicht am 29. Juni 2025
Ich saß auf meinem Dach und sah,
wie einer kam, ganz stumm, ganz nah.
Mit blinder Wut, mit leerem Sinn
schlug er auf Stein und Würde hin.
Seit Jahren lag ich dort im Stein,
ein Denkmal, klein und nicht gemein.
Kein Schnurren oder Muckser gar
und doch war wohl ich zu viel Gefahr.
Was geht im Kopf von wem so vor?
Da denkt nix mit, nur Groll im Ohr.
Nur hohle Wut, sonst nichts dabei.
Dessen Geist war längst einerlei.
Wer nächtens auf Statuen schlägt,
hat oft den eignen Sinn verlegt.
Ein Denkmal fällt, das Herz erschreckt,
wer so zerstört, dem fehlt der Zweck.
Wer blind auf fremdes Gut nur haut,
hat innerlich längst abgebaut.
Der Bauch voll Zorn, der Blick so leer,
da hilft kein Wort, da wirkt nichts mehr.
Ich schnurr vom Dach, doch ohne Gunst,
der Mensch bleibt oft des Menschen Dunst.
Die Katze kehrt zurück, bei Nacht.
Doch eure Ehre? Längst verflacht.
Hiddigeigei über Poetry Slam
🗓️ Veröffentlicht am 07. Juni 2025
Ich saß schon auf dem Turmesdach,
als Worte nachts wie Donner krachten.
Kein Mikro gab’s, kein Lichterfach –
doch Zeilen, die im Dunkel wachten.
Keine Bühne, Licht und Publikum,
kein Applaus und keine Schranken.
Ich sprach im Wind, geheim und stumm,
allein mit Worten und Gedanken.
Doch hätt’s zur Zeit ein Slam gegeben,
ich wär dabei – und auf dem Thron.
Denn Reime waren stets mein Leben,
und meine Stimme purer Lohn.
So seh ich heut die Dichter steigen,
mit Mut und Wucht und offenem Herz.
Ich hör sie kämpfen, klagen, schweigen –
und manchmal schallt ein guter Scherz.
Ich schnurre leise, wenn Worte fliegen,
wenn Klang und Inhalt sich verweben,
werden schwere Worte nicht verschwiegen,
dann darf die Wahrheit weiterleben.
Doch sag ich euch: Ich lieb das Treiben,
den Aufruhr echter Sprachgewalt.
Lasst Slammen nicht im Hype verbleiben –
gebt Wörtern Würde, Witz und Halt!
Hiddigeigei – Schuldenbad III
🗓️ Veröffentlicht in der Badischen Zeitung am 31. Mai 2025
Ich hör vom Kauf – man sagt: „Na gut.“
Als wär’s ein Topf voll Zauberei.
Man zaubert Geld – aus einem Hut,
den man noch sucht – und hofft dabei.
Man darf nicht borgen, darf nicht bitten,
und ein Kaufbetrag mit alten Miesen.
Ich rechne leise – stets in Schritten –
doch kann den Handel nicht genießen.
Ich zieh Bilanz mit Federstrich,
und denk, es wird sich wohl ergeben.
Doch jede Zahl verhöhnt mich schlicht –
und tanzt davon ins Unverstehen.
Der Kopf ist leer, der Stift jetzt klein
ein Wunder wär mir wohlgesonnen.
Vielleicht kommt Hilfe übern Rhein –
ein Guss von Fränkli wär gern genommen.
Ein Lottoglück? Ein Denk’scher Gruss?
So viel Idee – und schnell gemacht,
ein reicher Onkel und kein Verdruss –
doch hoffen darf man über Nacht.
Ich schnurr vom Dach und denk: Wie sacht
kein Plan, kein Spruch bringt uns noch weiter.
Verliert sich Mut in leiser Pracht –
nur ein Wunder versöhnt mich heiter.
Hiddigeigei – Schuldenbad II
🗓️ Veröffentlicht am 16. Mai 2025
Ich lag auf meinem Ziegelrand
und hörte, was man unten plant:
Ein Bad für wenig, ganz offiziell –
doch jeder Tropfen kostet schnell.
Ein Kauf zum Spott – so klingt’s im Rat,
man klatscht sich fast vor Freude matt.
Doch wer ein sinkend Schiff erwirbt,
wird feucht, auch wenn er billig stirbt.
Sechshunderttausend jährlich fließen schon,
zusätzliche Investitionen – welch ein Hohn.
Das Defizit pro Jahr ist nicht bekannt.
Der Kreis lehnt Kredite ab – ganz charmant.
Die Technik läuft – wer weiß wie lang,
man hört schon leis den Wartungsklang.
Was es verschlingt, lässt sich nur erahn’n –
doch kaufen will man’s – wenn man kann.
Man nennt’s gesund, bewegend, gut –
und streut dazu noch etwas Mut.
Doch was sich hinter Phrasen hält,
ist meist nur Dampf mit Deckel Geld.
Ich schnurr vom Dach und seh mit Spott:
Ein Bad, das bald kein „Bad“ mehr hat.
Jetzt hängt man dran mit letzter Kraft –
und merkt, dass man es wohl nicht schafft.
Hiddigeigei – Stadtoasen
🗓️ Veröffentlicht am 9. Mai 2025
In Säckingens Gärten blüht das Leben,
wo Bürger Hand in Hand sich geben.
Gemeinsam säen, pflanzen, lachen –
die Stadtoasen Freude machen.
Permakultur mit Herz und Sinn,
bringt Vielfalt, Schönheit und Gewinn.
Obst an der Mauer, Kräuterbeet,
wo jeder gern spazieren geht.
Die Stroh-Lehm-Hütte lädt dich ein,
zum Schwätzen bei Most, Käse, Wein.
Hier wird gebaut mit Hand und Herz,
aus Liebe, Lehm und doch kein Scherz.
Der Fairteiler, der im Schlosspark steht,
wo man nicht nur nimmt, sondern gebt.
Was übrig bleibt, wird dort verteilt,
weil Teilen mehr als Reden heilt.
Die Solawi bringt's auf den Punkt,
Gemüse frisch und kerngesund.
Gemeinsam ackern, ernten, teilen,
so kann die Zukunft uns ereilen.
Ich schnurr vom Dach und frag mich leis:
Warum leben Menschen einzeln meist?
Wo alles blüht durch’s Miteinand’ –
bleiben viele gerne abgewandt.
Hiddigeigei – Schuldenbad
🗓️ Veröffentlicht am 4. Mai 2025
Ich streun sehr oft ums Aqualon,
wo Therme dampft mit gutem Ton.
Doch frag ich leis bei Chlor und Licht:
Warum erkennt mein Aug’ euch nicht?
Wo sind die Säckinger, die braven?
Die, die sich gern in Gesundheit laben?
Es schwimmen mehr Schweizer rüber –
der Ureinwohner sagt: "Früher, früher..."
Die Stadt verschuldet sich immens,
versinkt im Traum von Investenz.
Der Campus saugt wie leere Zecken –
und die Stadt zappelt im Haifischbecken.
Kredite sind jetzt Dauerton,
der Schuldenberg – schon fast ein Thron.
Der Bürger gewöhnt sich Stück für Stück –
und nennt das dann Reformgeschick.
Mir war das „Bad“ nie Ehrensache,
mehr Kür als Pflicht – und oft Gemache.
Säckingen klang mir stets gut genug,
so stand es auch im Äbtissinnen Buch.
Man plant und tagt – mit Blick nach vorn,
doch niemand hört des Katers Zorn.
Und über allem, leis und schlicht:
Ein „Bad“ im Namen – heilt Schulden nicht.
Hiddigeigei – Spectaculum
🗓️ Veröffentlicht am 26. April 2025
Wohlauf! Die Stadt ruft Mittelalter,
mit Gauklern, Bier und Schellenklang.
Man jubelt laut – doch leise schallt er,
der Hauch von Pest und Foltergang.
Es klirrt der Stahl in wilden Ringen,
ein Kampf, der keinen Frieden nährt.
Wo einst nur Helme, Äxte klingen,
ward Denken schnell zum Feind erklärt.
Der Mönch war Richter, Arzt und Lehrer,
verbrannte Bücher, Hexen gleich.
Die Kirche war der Welterklärer
und hielt das Volk im Seelenteich.
Sie schwenken Krüge, tanzen, singen,
verliebt in Mummenschanz und Spiel.
Doch fragt man nach dem Sinn der Dinge,
verhallt der Ruf im Trubel viel.
Da tanzt der Pöbel, Schwerter klingen,
mit Met und wüstem Gelage im Sinn.
Doch wer sich fragt, was die da singen,
merkt schnell: Da steckt nicht viel drin.
So maunzt vom Dach der Hiddigeigei:
„Was feiert ihr? Den alten Wahn?
Ihr tanzt im Glanz von Blut und Scheiter
und folgt dem Klang wie Untertan.“
Hiddigeigei - Tomcat for future
🗓️ Veröffentlicht am 19. April 2025
Ich saß heut still auf meinem Giebel,
und sah den Rhein – so leer, so flach.
Das Wasser glänzt, ein stummer Spiegel,
kein Tropfen fiel vom Himmelsdach.
Die Wiesen bleich, der Boden rissig,
kein Regenlied, kein Frühlingssang.
Der Lenz erscheint, die Luft wird stickig –
seit Wochen fehlt des Wassers Klang.
Die Jugend schwieg bei Eis und Flocken,
doch nun – da milder – doch erwacht.
Die Stimmen brechen aus den Locken,
das Klima ruft – nun aufgewacht.
Sie zieh’n vorbei mit Bannerfragen,
mit Sprüchen, laut und zukunftsnah.
Doch hört man manche Zweifler klagen:
„Kein Führerschein – aber contra A?“
Erst klagt man laut: „Die Erde dürstet!“
Dann flutet’s plötzlich Dach und Stein.
Die Welt wird heiß, der Himmel stürzet –
das Klima scheint ein Narr zu sein.
So maunzt vom Dach der Hiddigeigei:
„Die Luft ist heiß, das Wasser rar –
und schweigt man weiter laut dabei,
verglüht, was einst uns heilig war.“
Hiddigeigei Bauklage
🗓️ Veröffentlicht am 13. April 2025
Ich sitz’ auf meinem Turm und seh,
wie unten wächst das große Weh.
Was einst als Heil für alle klang,
wird langsam ein Millionensang.
Einst war’s ein Bau für Volk und Pflege,
nun frißt er Gold auf krummem Wege.
Erst achtundzwanzig, dann vierzig mehr –
und jetzt? Fünfzig! Prost Sanier-Verkehr!
Man fragt: Was lief da schief?
Ein Plan, der aus dem Ruder lief.
Mal fehlt ein Plan, mal fehlt ein Stock,
mal schießt der Handwerker einen Bock.
Verträge lösen, Grundriss ändern,
dann Nachtrag hier und Schulden bändern –
Doch Kater fragt: Wer trägt die Last,
wenn keiner je Verantwortung fasst?
Die Stadt, schon klamm, macht neue Schulden,
doch soll dabei noch Würde dulden.
Die Banken winken, voller Graus –
„Erst Vollvermietung, dann Applaus.“
Es wird erklärt, es wird verschoben,
man redet tief – doch nicht nach oben.
Und wer zu viel und klar noch fragt,
wird schnell belächelt und vertagt.
Der Rat, er nickt – doch einer murrt,
und der Kater Hiddigeigei schnurrt:
„Wer plant, doch nicht zu Ende denkt,
der hat am Ende selbst verschenkt.
Nicht nur das Geld – auch das Gesicht.
Und Katerlob, das gibt es nicht.“
Hiddigeigei Plüsch
🗓️ Veröffentlicht am 6. April 2025
Ich, Hiddigeigei, Kater alt,
der oft im Mondlicht Lieder schallt,
vernahm mit leisem Ohr Entsetzen,
wie man mich nun beginnt zu schätzen.
Doch ach! Man schätzt nur meine Hülle,
nicht meine Seele, nicht die Fülle
von Spott und Schmerz, von Zorn und Ironie –
man stilisiert mich zur Parodie.
Ein Plüschgesicht auf Babystrampler,
ein Kuscheltier für Katzen-Sammler,
ein Selfie-Spot mit Glitzerstein –
soll das mein neues Leben sein?
Was einst von meiner Tatze floß,
war Dichtung, tief und zeitgenoss'.
Ein Murren gegen Welt und Torheit,
nicht Werbegag zur Kinder-Vorzeit.
Ich sang vom Schmerz, von Lieb’ und Gram,
als noch kein Influencer kam.
Ich spottet’ über Dummheit, Macht,
und habt ihr drüber nachgedacht?
Was nützt mir Ruhm in hundert Läden,
wenn Geistesblitz soll leise treten?
Was bringt mir Glanz aus Werbebrühen,
wenn meine Verse stumm verglühen?
O Bad Säckingen, hör mein Miauen!
Lasst meine Krallen wieder hauen!
Gebt meiner Seele freien Lauf,
verkitscht mir nicht den Lebenslauf.
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